Hartmut T. Reliwette
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Rezensionen



Reliwette und sechste Stele:

Reliwette und die 6. Stele


General-Anzeiger
Bericht v. 4.05.2005

General-Anzeiger


General-Anzeiger
Bericht v. 9.05.2005

General-Anzeiger



8. Mai 2005: Die sechste Stele
Gefallenen-Gedenkstätte in Steenfelde/Ostfriesland
Auf Initiative des Steenfelder Pastors, Claus Dreier, hat sich die Künstlergruppe des K-Netzes in einer interdisziplinären Aktion in einen Entscheidungsprozess begeben, an der auch die dortige Gemeinde, die politische Gemeinde und der Kyffhäuser Bund beteiligt waren. Hierbei ging es um die Erweiterung des Ehrenmals für die in beiden Weltkriegen gefallenen Soldaten (aus der dortigen Gemeinde) um eine weitere Stele, die sich insbesondere auf den "Opferbegriff" bezieht.

Die Gefallenen-Denkmale und die sechste Stele

Im deutschen Sprachgebrauch tauchen verschiedene Synonyme zum Begriff des "Krieger-Denkmal" auf, mit denen an die Gefallenen der letzten Kriege erinnert wird: "Ehrenmahnmal", "Kriegsgedenkstätte", "Gefallenen-Denkmal" - um nur einige zu nennen. Auf Inschriften wird auf "Kameradschaftstreue" hingewiesen, "Treu bis in den Tod". "Auf dem Felde der Ehre gestorben" jene, "die ihr Blut für das Vaterland" vergossen.

Das Bewusstsein in der Bevölkerung hat sich gewandelt nicht zuletzt angesichts aktueller Kriege für eine "gerechte Sache", zu deren "Verbrüderung und Beteiligung" heftig geworben wurde: Aus Dankbarkeitsverpflichtung heraus, zur Sicherung der westlichen Werte oder einfach nur, um die Achse des Bösen zu zerschlagen oder vordergründig einen Diktator aus dem Land zu jagen. „Befreiungskriege“ von allem möglichen Übel aber nicht von jedem Laster, das die freie westliche Welt reichlich für die "Befreiten" im Angebot bereit hält.

Sprechen wir nicht länger ausschließlich von "gefallenen Soldaten" allein, die ihr Leben lassen mussten. Betrachten wir doch die Opfer der Kriege aus einer anderen, aus einer erweiterten Begriffsbestimmung heraus, denn der Krieg macht keinen Unterschied zwischen "zivilen" Opfern und aktiven Kriegsteilnehmern, einerlei, ob Letztere sich freiwillig zur Fahne gemeldet haben oder zwangsverpflichtet wurden.

In diesem Sinne kann eine Gedenkstätte eine erweiterte Bedeutung erhalten vor allem für nachrückende Generationen, deren Väter und Großväter nicht zu den Opfern zählten, welche die letzten Kriege einforderten. Befassen wir uns mit den Opfern der Kriege im umfassenderen Sinne und meinen jetzt dabei in erster Linie jene, die zu Tode kamen, in zweiter Linie jene, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, Hab und Gut verloren.

Wenn wir also konkret die "zivilen" Todesopfer beklagen, welche die beiden letzten Weltkriege in Deutschland "einforderten", so denken wir an in Konzentrationslagern getötete Menschen und an jene, die in Gefangenenlagern verstarben, an Misshandelte, an denen "medizinische Experimente" vorgenommen oder die wegen "unwerten Lebens" oder "Idiotie" sterilisiert, kastriert oder umgebracht wurden.

In erster Linie waren es Deutsche jüdischen Glaubens, Sintis und Roma, aber auch Polen, Österreicher, Italiener und Angehörige anderer Nationalitäten, die den Massenvernichtungslagern zugeführt wurden. Zu den Opfern zählen wir aber auch politische Gegner des Systems, Menschen, die im Untergrund arbeiteten und aktive Widerstandskämpfer und Künstler, Schriftsteller, Journalisten, die sich offen in ihrer Arbeit gegen das geltende System stellten. Opfer sind "Ausgebombte" und Millionen Menschen, die unter den Trümmern der Häuser starben. Opfer sind Zwangsarbeiter und Flüchtlinge z.B. auf der "Anton Gustloff" und auf einem weiteren Flüchtlingsschiff, das auf dem Weg über die Ostsee von Torpedos feindlicher U-Boote versenkt wurde.

Sie alle sind Opfer aus nationaler Sicht. Erheben wir den Blick über den Tellerrand, so wird uns bewusst, dass Kriegsopfer keine Frage der Nationalität sind und dass die Schuldfrage nach dem Kriegsurheber eigentlich nur in die Verpflichtung münden kann, alles dafür zu tun, dass sich ein solch geschichtshistorischer "Täter-Opfer-Gang". nicht wiederholt.

Die 6. Stele wird (ohne ergänzende Typografie) allein durch ihren sinnestäuschenden Oberflächenschliff, der durch den Einfallswinkel der Lichtquelle und den Standort des Betrachters wirksam wird, Fragen an den Betrachter stellen. Ist Dein Standort (Standpunkt) geeignet, um den Effekt wahrzunehmen? Wirft Dein "Standpunkt" Deinen Schatten auf die Stele? Letztlich liegt der tiefere Sinn auch darin, Opfer künftig zu vermeiden - durch den "Standpunkt" - den ein Mensch vertritt.

Hartmut T. Reliwette