Vorankündigung
im GA vom 27.07.2005:
Bericht vom 03.08.2005
im General-Anzeiger:
Heinrich Korella, Reliwette,
K.-H. Schreiber, Anja Es
Karl-Heinz Schreiber,
Dtp und Kai Engelke
Micomaco Theater
Claus Schwarz
Anja Es
Manfred C. Schmidt
Günther Hoffmann
Gerda Ulpts
Marlene Stamerjohanns
Heinrich Korella und Anja Es
Karl-Heinz Schreiber
ZUM PROGRAMM
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Viele Gäste beim Poesie-Festival 2005
___________ Kleine Nachbetrachtung des Kunstmeisters __________
"Edle minnigliche Maid - oh bebend Herz zur Maienzeit ...." Solche- oder ähnliche Texte brachte keiner der angereisten 14 Autoren, Autorinnen und Kunstschaffenden zu Gehör bzw. zu Bild.
Der Begriff "von der Poesie" hat zu einer "zeitgemäßen" Sprache gefunden, die sich mal den "Brandthemen" unserer Gesellschaft widmet, sich zum anderen in heiterer Form mit den menschlichen Unzulänglichkeiten befasst: Als Lyrik, feinsinnige Satire, Glosse, kabarettartige Verbalakrobatik oder eben als "schwarzer Humor - aber ohne Humor" - wie es die Sandesnebenerin Anja Es in ihren 31 Heimatbildern mit den dazugehörigen Texten formuliert.
(Nur noch selten als reimendes Gedicht, wie wir es von Klassikern her kennen, berichten die Sprach- und Gesangsbarden von ihrer Zeit, in der sie leben. Das "Schöngeistige" der "ehemaligen Poesie", mit kunstvoll gewebten Sprachelementen verziert und mit sogenannten Betonungssilben (Füßen) zu einer Sprachmelodie angereichert, scheint nur noch nostalgischen Erinnerungen an eine Zeit "von früher" zu entsprechen.)
Die Acrylgemälde von Anja Es, in grauen Tonwerten gehalten, zeigen ein düsteres Szenario, mal von einem Herrenhaus, einer Treppe oder einem Zahnradwerk einer Schleuse. Was sich für Geschichten und Vorkommnisse hinter den Bildern verbergen, trägt die multitalentierte Künstlerin life an das Publikum heran. Dabei hat es die Möglichkeit, anhand von nummerierten Kieselsteinen sich eine Geschichte zu einem bestimmten Bild zu wählen.
Kai Engelke entwickelte gleich zu Beginn der bis in die Nacht andauernden Veranstaltung eigene Gedanken zum Leit(d)-Thema: "Pardon wird nicht gegeben". Ob Künstler sich für Schwächere einsetzen oder sich einer politischen Partei verpflichtet fühlen müssten, ob sie manifestierten Vorgaben folgen oder sich völlig frei entwickeln dürfen oder Unterhaltungswert mitgeliefert werden kann. "Kunst muss gar nichts - außer gut sein". Daran knüpft sich unausgesprochen die nächste Frage an: Was ist gut?
Der Maler und Grafiker Lothar Danger aus Weener hat seine Kunstrichtung unter die Prämisse der "Dangerous Arts" - der gefährlichen Künste - gestellt. Seine in colorierten Verpackungskarton sauber geschnittenen Typografien beinhalten Nachdenkenswertes. Aber hängt sich ein Durchschnittszeitgenosse so etwas über sein Sofa? Wie bringt man Zeitgenossen dazu, sich wohlzufühlen?
Der Cartoonist Thomas Trey (Weener) hatte seine bissigen Polit-Cartoons ausgestellt, in denen er nicht nur u.a. den Begriff von "Terror" beleuchtet, sondern auch die Frage von Frau Merkel, ob Mr. President die Deutschen mag, zeichnerisch beantwortet.
Auf seine Weise bezieht Trey eindeutig Stellung zum vorgegeben Motto.
Claus Schwarz aus der Küstenregion Ostfrieslands gibt sich in seinen Kurzsatiren überhaupt nicht "hinterdeichig". Seine bissigen Beiträge ernteten Lachsalven vom Publikum, als er zum Beispiel über das ellenlange Kürzel der "EU-Norm der Kichererbsen" berichtete oder Vorteile über die Zubereitung von "Fliegenfilets" schilderte: "Man trägt der Fliege den Tod an" und schiebt ihr anschließend "einen im eigenen Blut getränkten Eichenzweig ins Geäse oder was man bei einer Fliege dafür hält."
Marlene Stamerjohanns aus Edewecht brachte Moritaten z.B. vom "Stacheldrahtverhauer", der von seiner Liebsten durch die Mauer in Jerusalem getrennt wurde. Die Poetry-Slamerin schlug dabei einen kunstvollen Bogen bis hin zu Vorgängen im Edewechter Rathaus und unter die Kutte von Priestern, die ihren Segen reichlich fließen lassen...
Karl-Heinz Schreiber, der "Kultige aus Unterfranken", Herausgeber des "letzten Poesy-Chaotykums der Republyk", einer Literaturzeitschrift im zehnten Jahrgang, trug eine Passage aus seinem neuen Roman "Der Meerschwimmer - oder Heimat für Blumberg" vor. Dabei rührt der Autor an existentielle Fragen z.B. etwas ohne Anspruch auf Medienrummel zu tun - nämlich sich dem Meer anzuvertrauen.
Metapherngleich stellte er u.a. die Frage an den Leser, ob einer zwanglos seinem Bedürfnis folgend in das Meer urinieren dürfe und dabei in Kauf nehmen müsse, "schließlich in seinem eigenen Urin zu schwimmen".
Manfred C. Schmidt aus Esens, selbst Veranstalter von Poetry-Slams, schreibt Kurz-Satiren. In seinem Bericht über seinen neuen Job als Bestattungs- unternehmer verriet er den amüsierten Zuhörern die neuesten Tricks, die seinem fiktiven Geschäft höchste Umsatzzahlen einbrachte.
H.J. Mikat ist der "traurige Poet" aus Gelsenkirchen, der seinem Kürzel "Dtp" durch "knappe Lyrik" gerecht wird, wobei er überflüssiges Wortwerk auf das unbedingt Notwendige reduziert. Bestandsaufnahmen sind bevorzugte Themen des jungen Dichters, die den Zuhörer zu einem Vergleich mit eigenen Erfahrungen herausfordern.
Günther Hoffmann (Ostrhauderfehn) ist freier Mitarbeiter des Ostfriesland-Magazines und freier Autor. In seinen Erzählungen "aus dem Leben" schilderte er Vorgänge innerhalb einer Behörde, die aufgrund von Bestimmungen über die Beschaffung von Wasserhahndichtungen zur Groteske geraten oder Familieninterna, wenn es um die Gleichstellung zwischen Kind- und Erwachsenem-Ich geht.
Gerda Ulpts (Ostrhauderfehn) trug plattdeutsche und hochdeutsche Geschichten vor und entdeckte dabei leere Seiten in einem ihrer Bücher, was mit allgemeiner Heiterkeit aufgenommen wurde. Als nachdenklich-philosophisch präsentierte sich ihr kurzer Text von den "alten Tauben, die gurren" und den jungen Tauben heraus, die da rufen: "Blut ist im Schuh", wobei "der Habicht stets wiederkommt".
Vor dem zweiten Durchgang präsentierten Norbert Knitsch (Rhauderfehn) und Hartmut Hauer (Collinghorst) vom Micomaco Theater eine Szene aus ihrem neuen Stück: "Der Mann aus dem Eis", in welchem eigene und Texte von Max Fritsch inszeniert wurden. Ganz deutlich wurden in dieser Passage die Verdrängungsmechanismen der Menschen vor unbequemen Fragen. ("Kann ich eine Zigarette haben?"- oder: "Ich muss mal auf's Klo!" - "Ich kann es nicht mehr hören!")
Der Altmeister der Multimedia-Kunst, Heinrich Korella aus Hamburg, stellte diesmal seine Bild-Text Arrangements, die er mit elektronischer Akustik unterlegt, auf kleinerer Leinwand vor. Seine witzig-zeitkritischen Senrius (japanische Verskunst) lassen beim ersten Überfliegen der optischen Bildzeilen zuweilen eine andere Aussage vermuten als sie sich beim zweimaligen Lesen darstellt. Das Publikum erlebte den überaus talentierten Autoren, Klangkünstler und Fotografen auch mit life gesprochenen Texten.
Karl-Heinz Schreiber präsentierte sich noch einmal mit eigenen Texten zur Gitarre, wobei der literarische Inhalt die instrumentalen Fähigkeiten überwiegt. Schreiber scheute sich auch nicht, die "Internationale" vorzutragen (die ist freilich nicht von ihm) und nahm damit ironisierenden Bezug auf die
anstehenden Bundestagswahlen. Ein Teil des Publikums sang mit.
Das Multitalent Kai Engelke spielte auf Wunsch des Kunstmeisters Stücke des schwedischen Poeten, Zeitkritikers und Säufers Carl Michael Bellman, einem Zeitgenossen von Hölderlin, Schiller und Hegel zur Gitarre. Das Lied vom "Vater Noah" sangen Engelke und der Kunstmeister abwechselnd, die jeweils dritte Strophe in der Oberstimme, das Publikum sang entsprechende Passagen mit.
Das Wetter war gut, nachts ein wenig kühl. Essen und Trinken war Dank der Freunde von der "Logistik" (Ritter Manfred, Anne, Martin und Lydia) reichlich und gut. Die Preise waren "zivil", das Publikum spendefreudig (Einlass kostenlos). Ein herzlicher Dank an Anita Piwinski, die hinter den Kulissen organisiert und wesentlich dazu beigetragen hat, dass das Festival überhaupt stattfinden konnte. Übrigens: Das Forum war voll besetzt.
Ach ja, der vierzehnte Poet? Das war der Kunstmeister, der nichts von sich gab außer den "Honneurs" und sich herrlich zerstreut durch das Programm wühlte.
Gibt es noch zu bemerken: Ein Stromausfall - Lesen bei Fackellicht, der NDR war da (Radio Nordwest) und der Generalanzeiger. Die anderen Zeitungen glänzten ebenso durch Abwesenheit wie andere Personen, denen es gut zu Gesicht stehen würde, hier mal Präsenz zu zeigen. Es leben die Maislabyrinthe!
Gut, eine Sonderseite haben wir nicht gekriegt - aber trotzdem einen herzlichen Dank an alle unmittelbar und mittelbar Beteiligten. Ihr wart wunderbar - ganz phantastisch - und dem Publikum hat's zugesagt, sonst hättet Ihr nicht so viel Applaus bekommen - und Artigkeits- oder Mitleidsbeifall war es nun
mit absoluter Gewissheit nicht!
Kommt im nächsten Jahr wieder - alles "tutti" mit der Poesie!
Euer alter Kunstmeister
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