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Pressebericht
02.08.2004:


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Vorankündigung
16.07.2004:


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Festival-Programm

F O T O S

Kleine Nachlese / Pressemitteilungen
zum dreitägigen Open-Air Festival der Poesy 2004








Gelungene Premiere auf Freilichtbühne
Das Gecko Theater spielte ein Stück von Dario Fo

Ein Wagnis ist es immer, ein Theaterstück unter freiem Himmel aufzuführen, besonders wenn es für das Theater inszeniert wurde. Am vergangenen Wochenende führten Mitglieder des Ensembles Gecko-Theater unter Regie von Norbert Knitsch das absurd-provokante Stück "Der Nackte und der Mann im Frack" des italienischen Theatermachers Dario Fo als Premiere im Forum des Joseph-Beuys-Irrgarten in Ostrhauderfehn auf. Die Tatsache, dass die Rollen mehrheitlich von Laienschauspielern verkörpert werden, mindert die Qualität des gesellschaftskritischen Stückes ebenso wenig wie der Umstand, dass mehrere "Hosenrollen" von Maria Deters, Helga Freudenthal und Elke Siemers besetzt wurden. Hartmut Hauer spielt einen intellektuellen Straßenkehrer, der sich auch, der Not gehorchend, während der Dienstzeit in einen hilfsbereiten Kavalier verwandelt, wenn es darum geht, eine scheinbar in Bedrängnis geratene Lebedame vor dem Zugriff der Sittenpolizei zu schützen. Wer unbekleidet in der Kehricht-Tonne sitzt, macht nicht viel "Staat" bei Straßenkehrern - auch wenn man ein Botschafter ist. Der muss nämlich erfahren, dass der Rückzug aus einer delikaten Affäre über den Balkon nicht der eleganteste Abgang ist. Norbert Knitsch spielt diesen Part überzeugend wie die übrigen Mitglieder des Ensembles auch, die in verschiedenen Rollen agieren. Das Stück ist von komischen und absurden Inhalten durchzogen, mal skurril, mal sanft ironisch, aber nie bösartig. auf jeden Fall von hohem Unterhaltungswert nicht nur für "Schlauköpfe". Es beschreibt die italienische Sicht der (gesellschaftlichen) Dinge mit den Augen eben jenes Dario Fo, der sowohl auf mehrere Verhaftungen auf der Bühne zurückblicken kann als auch auf den Nobelpreis des Jahres 1997. Die schwedische Akademie würdigte bei der Verleihung die Texte Fo's als gleichermaßen amüsierend, engagierend wie Perspektiven vermittelnd.

Am 10. und 11. September wird nun diese Aufführung um jeweils 20 Uhr im Haus Dartein in Driever, Klosterstraße 13 wiederholt. Das etwa 60 Minuten-Stück wird dann um das Stück "Der Dieb, der nicht zu schaden kam" ergänzt. Mit dabei dann auch Kordula Dirks und Ralf Wilken. Natürlich ist das Stück von Dario Fo, von wem sonst?

Hartmut T. Reliwette, Veranstalter des Labyrinth-Forums


Literarische Kompetenz beim dritten Poetry-Slam in Idafehn
Drei norddeutsche Autoren auf den vorderen Plätzen

Poetry-Slam-Veranstaltungen haben sich in Deutschland etabliert. Sie haben die Herzen eines größeren Publikums erreicht. Es sind längst nicht mehr vorwiegend die jungen unbekannten Dichter, die auf die Bühnen streben und sich vom Publikum jurieren lassen. Es geht gnadenlos um perfekte Texte, zeitkritische Themen und den Unterhaltungswert. Niemand aus dem Publikum will sich langweilen. Und so haben die Autorinnen und Autoren auch nur acht Minuten Zeit, um mit ihrem "Stoff" das Publikum in den Bann zu ziehen und es zu überzeugen.

Die Zeit der Rapper und Hipp-Hopp-Texter scheint abgelaufen. Intelligente Satiren in Gedicht- oder Prosaform beeindruckten das zumeist sach- und fachverständige Publikum. So auch am Wochenende in Europas einzigem Kunst-Forum-Labyrinth aus stacheliger Berberitze in Ostrhauderfehn/Leer.

Bei strahlendem Sommerwetter hatten sich etliche zumeist weitgereiste Autorinnen und Autoren "setzen" lassen. Zum Beispiel der wort- und schriftgewaltige "Kultige", Karl-Heinz Schreiber, aus dem Unterfränkischen, der sein Magazyn KULT als letztes Poesychaoticum der Republyk herausgibt, eine Literaturzeitschrift. Oder Manfred C. Schmidt, ein bekannter Autor und Slam-Master aus dem Küstenstädtchen Esens, der in seinem Text von Miezi erzählt, einer von der Schwester in Obhut gegebenen Katze, die das Wochenende nicht überlebt. Reliwette trug außer Konkurrenz drei Texte von Laura Kamikaze, X-Town vor. Gerda Ulpts aus Ostrhauderfehn verpasste mit ihren plattdeutschen Geschichten nur ganz knapp einen der drei Labyrinthpokale. Erste wurde die Malerin und Autorin (Performerin) Anja Es aus Sandesneben/Lübeck, die im Stechen u.a. die Vorzüge von Rotweinflaschen vor männlichen Pendants beschrieb: "Einer Rotweinflasche könnt ihr sagen, dass sie eine Flasche ist und auch nicht die erste, aber sagen sie das mal ihrem Freund!" Zweiter wurde mit knappem Abstand Peter Gerdes aus Leer. Seine Texte und Gedichte sind von Satire und feinsinnigem Humor geprägt wie der Kurzkrimi vom "Macho-Mörder", der aus verständlichen Gründen nicht gefasst wurde, was zum Beispiel dann passieren kann, wenn man den Täter selbst mit den Ermittlungen beauftragt. Dritte wurde die in Deutschland sehr beliebte Slam-Poetin, Marlene Stamerjohanns aus Edewecht/Oldenburg, die bei den letzten deutschen Meisterschaften in Stuttgart von über 170 Poetry-Slam-Teilnehmern den vierten Platz belegte. Ihre Satire-Texte und Moritaten z.B. vom Maulwurf (dessen Frau mit einem Bisam fremdging) und der sich aus Verzweiflung bis an den Küstendeich wühlt, um dort zu sterben.

Die Autorinnen und Autoren ernteten wahre Lachsalven vom Publikum, und das scheint in dieser bitteren Zeit auch absolut notwendig.

Hartmut T. Reliwette als Slam-Master (und Veranstalter)


Jens-Paul Wollenberg liest und spielt Daniil Charms
(Daniil Ivanowitsch Invatschev)

Aus Leipzig waren sie angereist, der Autor und Charms-Interpret und seine Lebensgefährtin, Uta Pilling. Letztere mit dem Bajan (Knopfakkordeon), das sie zur Untermalung eigener Chansons wirkungsvoll einsetzt so wie ihre zu eigene wohlklingende, mädchenhafte Stimme. Charms, in Deutschland wenig bekannt, ist jenen wilden Autoren und Dichtern des Absurden zuzurechnen zu einer Zeit, als in Russland die Revolution neue Normen und Spießer hervorbrachte und die russische Literatur auf den "sozialistischen Realismus" verpflichtet wurde. Teilweise muten die Texte nihilistisch an, drücken sie eine Werteverschiebung des Automatismus aus, in dessen Dunstfeld der 1905 geborene Daniil Charms künstlerisch zu verkümmern drohte. Erst in jüngster Zeit wurde der während der deutschen Besatzungszeit 1944 in einem Leningrader Gefängnis verhungerte russische Dichter von Kulturhistorikern neu entdeckt und vorgestellt.

"Charms selbst ist Kunst", sagte der russische Autor Vvedenskij Ende der 30er Jahre. Er wollte sein Leben als ein Wunder erleben, so wie er die Welt als ein Wunder empfand. Nichts ist schlimmer als das Mittelmaß und das Grau des Alltags. So muss es Daniil Charms empfunden haben. So empfinden es Künstler noch heute. Das macht Charms aktuell. Wollenberg und Pilling sind ein eingespieltes Duo. Während der Charms Interpret mit seinem lauten aber wohlklingenden Bass die Zuhörer in die Gedanken eines russischen Regime-Diszidenten einführt: "Man müsste mitten in der Stadt eine große Grube ausheben und alle Kinder und alle deutschen Schäferhunde dort hineinwerfen"... wechselt Pilling in eine fast traurige zumindest aber versöhnliche, fast kindlich naive akustische Transparenz und schafft somit einen Gegenpol zur gefühlsmäßigen Ausweglosigkeit. Wollenberg verputzt während der einstündigen Literatur-Performance nahezu eine Flasche Wodka, teilt diese mit einem symbolischen Vertreter aus dem Publikum: "Nasterowje!" Und der sagt: "Spaciba Towarisch" und trinkt den angebotenen (fast halben Becher in einem Zug). Die Geschichten Charms werden von dem Leipziger perfekt interpretiert. Wollenberg, selbst in der damaligen DDR vom Regime verbannt, verfolgt, konnte in immer wieder neuen Besetzungen und unter wechselnden Gruppennamen die kulturellen Bühnen der DDR bereisen. Russlands früher Literatur-Avantgardist Daniil Charms - Jens Paul Wollenberg lässt ihn neu entstehen, rezitierend und im Geiste wohl getroffen! Eine Besucherin: "Die beiden (Pilling und Wollenberg) harmonieren mit ihrem Auftritt trotz der gegensätzlichen Interpretation des Themas". Und was ist das Thema? Vielleicht: Ich bin ein Spielball der Geschicke - wer will mein Gefährte sein?

Hartmut T. Reliwette, Veranstalter und Zuhörer

www.reliwette.de