Ostfriesland
Magazin 7/2005:
Fotos: Der Eingang zum Josef-Beuys-Gedächtnisgarten in Ostrhauderfehn. Mittendrin der Künstler Reliwette, Teil des Gesamtkunstwerkes und mit Markenzeichen: Hut und Weste.
Fotos: 2200 Quadratmeter umfasst der Beuys-Garten. Ein metallenes Windobjekt gehört ebenso dazu wie eine aus Stacheldraht geformte Kugel - das Material stammt aus dem Ersten Weltkrieg.
Fotos: 1) Bizarr - auch der Teich ist Ausstellungsfläche. 2) Diesen "Elektrischen Stuhl" fertigte der Künstler und ausgebildete Justizoberwachtmeister mit Strafgefangenen an.
I N F O
Führungen im Labyrinth nach Terminabsprache. Nutzung des Forums, inklusive Technik und Logistik möglich.
Unter dem Motto "Pardon wird nicht gewährt" findet am 30. Juli 2005 ein Festival der Poesie im Forum des Beuys-Gedächtnis-gartens statt.
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In seinem Fehnhaus richtete Reliwette sich sein Atelier und das "Reliwette-Museum" ein, das vornehmlich Autobiographisches enthält. Ein etwa 60 Zentimeter großer Teddybär fällt auf. Den Leib aufgerissen, die Stelle blutrot gefärbt. "Das ist ein Relikt aus einer Performance im Messezentrum Essen, bei der ich auf den präparierten Teddy mit einem Vorderlader schoss. Es sollte symbolhaft die entgangene Zuwendung in Kindheitstagen oder auch ansonsten ausdrücken. Nicht das Kuscheltier sollte vorrangig eingesetzt werden. Nein, Eltern und Mitmenschen müssen sich der Zuwendung suchenden menschlichen Kreatur widmen."
Gegenüber einer bunten geflügelten Seifenkiste steht ein Fernsehapparat mit zersplittertem Bildschirm. "Das ist das oberste Exemplar einer Pyramide von Fernsehgeräten. Auch ein Andenken aus einer meiner Aktionen. Ich habe auf die Dinger geschossen und versinnbildlichte damit das definitive Abschalten der unmöglich geistlosen Programme, die uns die Macher im Fernsehen alltäglich vorsetzten und noch immer aufnötigen." Obwohl Reliwette von der Fachpresse nicht immer freundlich behandelt wurde, brachte er es zu so viel Anerkennung, dass ihm die Mitgliedschaft in der hochnoblen Leibniz-Gesellschaft angetragen wurde und von anderer Stelle eine Ehrendoktorwürde. Beides lehnte er ab, um frei und unbeeinflusst von irgendwelchen Kodexen zu bleiben.
Bei einer Tasse Tee unter den Augen des "Agor", einer Figur aus metallenen Einzelfragmenten, die in ihrer Gesamtheit auf Reliwettes Suchen und Tasten nach neuen Formelementen hinweist, erzählt der Künstler von seinen Erfahrungen und Erlebnissen. "Agors" König, der Leitrobot im Jahr 5021, war ein Thema von Reliwette: er adaptierte ihn zu einem Kunstwerk, in dem er eine stählerne Schädelplatte auf einer Stele installierte. Rechts der Treppe zur Galerie, auf der Reliwette seinen "literarischen Arbeitsplatz" hat, steht ein hochlehniger Sessel aus Metallgeflecht, auf den Armlehnen sind Armfesseln angebracht. Diesen "Elektrischen Stuhl" fertigte der Künstler seinerzeit mit Strafgefangenen im Rahmen einer therapeutischen Betreuung an.
An der Wand des Wohnraumes, der noch andere Kunstwerke beherbergt, hängen vier colorierte Grafiken des Künstlers. In diesen Bildern sind die Prinzipien angewandt, die der Führer der russischen Avantgarde, David Burljuk, einst im "Blauen Reiter" als Quellen zur Offenbarung der neuen Wahrheiten und Wege in der Malerei beschrieb. Reliwette hat an einem dieser Bilder noch einen Punkt draufgesetzt: durch einen Schuss mit dem Vorderlader. Die entstandene Blessur ist Teil des Bildes geworden, ebenso wie sich der Kunstschaffende als einen Teil des Gesamtkunstwerks "Beuys-Gedächtnisgarten" betrachtet.
Während des Sommers finden im Forum des Gartens unterschiedliche Veranstaltungen statt, auch Musik und Literatur gehören dazu. Im vergangenen Jahr gab es das "Festival der Poesie - Poetenwahn?!" In seinen "Gedanken zu dem Begriff Kunst und anderer Wahrnehmbarkeiten", philosophierte der Künstler: "Wandert der Betrachter durch das nächtliche Labyrinth, so wird sein Blick durch die steilen Wände der Berberitzen auf den Kosmos gelenkt. Der Wanderer folgt den vorgegebenen Windungen des Ideengebers. Als einzige Orientierung bleibt ihm der nächtliche Sternenhimmel. In dieser Situation mögen uns alle möglichen Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf gehen und vielleicht fühlen wir uns auch ein wenig verloren und einsam. Vielleicht werden wir in dieser Situation auf ein dringend erforderliches Mass an Demut vor der Schöpfung zurückgestutzt, weil wir begreifen, dass wir an dieser Schöpfung nur so viel teilhaben, als dass wir in sie als Gast auf Zeit hineingeboren wurden."
Ostfriesland Magazin 7/2005
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