Hartmut T. Reliwette
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REZENSIONEN  


Arne-Wigand Baganz:
"Seelengründe" - Gedichte

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Der Autor ist Fotograf, Autor lyrischer und prosaischer Werke. Außerdem hat er ein Forum für zeitgenössische und klassische Literatur ins Netz gestellt und eines für Kunst, eine Netzgemeinschaft für Künstler.

Jetzt ist "Seelengründe" erschienen, eine Sammlung von Gedichten aus den Jahren 1999 bis 2004 - bis auf ganz wenige Ausnahmen - reimlos. Die Umschlaggestaltung, Hochglanzkarton, schwarzer Grund, vorne ein schwarz-weiß Foto, die Rückseite - ein Gedicht: "Stoisch". Das Titelbild auf schwarzem Grund zeigt einige Bäume vor einem See. Obwohl sie von einer Lichtquelle bestrahlt erscheinen, werfen sie lange schwarze Schatten. Schatten selbst dort, wo kein Baum einen Schatten werfen könnte... Dem oberflächlichen Betrachter mag dies verborgen bleiben - so wie der Inhalt der meisten Textpassagen, die von konventioneller Symbolik bis zur experimentellen Symbolauslegung reichen, von der konventionellen Wortbedeutung bis hin zur Wortmelodie ohne konkrete Bedeutung. Das Wort als Klang, als Melodie, (als eine Metapher für eine Seelenwanderung?), in welche morsezeichenartige Signale einfließen wie bei dem "trance gedicht".

Was sind Seelengründe? Sind es Abgründe, Tiefen oder Begründungen, welche der Autor in seine Weltbetrachtungen einfließen lässt, wenn er z.B. die Welt gewordenen menschlichen Ausuferungen der Unvernunft "in siechenden Wassern fataler Irreligiösität baden" lässt und weitere Unzulänglichkeiten menschlichen Irrens durch seine Poetenfeder fließen lässt? Dieser betrüblich - klagenden Erkenntnis setzt er "Zenotaph" voran als Überschrift und meint eine leere Grabstelle, an der sich jemand befindet, um verlorenen Werten nachzutrauern. Wenn der Autor dichtend den Seelentod beschreibt, dann geschieht das in der Erkenntnis zuerst des Fluchtgedankens angesichts eigenem Mitwirken und endet:
...und Erde fliegt
Durch Schaufel fliegt,
ein Grab ich schaff,
in das mein Herz
zum Schlaf sich legt...


Schwermütig wirken die Verse auf den Leser ob stillen Klagens, auch wenn sich der Dichter an eine vertraute Person erinnert:
So fern das Wesen,
in dessen Seele Tiefe
meine starren Augen
niemals schauten -
und doch schimmert es
wie das kühle Licht eines alten Sterns
in einsamen Nächten

In meinen Gedanken -
Nur dort
Bist Du hier.
Du gibst mir deine welke Hand


Baganz spricht andererseits zuweilen eine recht deutliche Sprache, wenn er den Befehl Jesu an seine Jünger nach seiner Auferstehung interpretiert:
im namen gottes,
fickt diesen Planeten.
Und sie taten, wie ihnen geheißen.


Ein weiteres Manifest lehnt der Autor ab, wenn er abschließend schreibt: ".....die sterbende Hand nur schreibt sich ein Manifest". Dem kann eigentlich nur zugestimmt werden in Anbetracht des vergeblichen Pyramidenbaues altägyptischer Könige.

Über 100 mehr oder weniger kurze Gedichte sind im vorliegenden Bändchen zusammen getragen. Mancher Leser mag dem Autor ankreiden, dass sich seine "Seelengründe" schwermütig auf die eigene Befindlichkeit des Lesers niederschlagen mögen. Doch wo Porzellan zerschlagen ist, können kaum neue Risse entstehen (weil die Spannung heraus ist). Zudem handelt es sich um Gedichte, die nicht hintereinander weg gelesen werden sollten, schließlich darf Dichtung nicht mit einem solchen Roman verwechselt werden, welcher der Unterhaltung dient. Wer sich in gezielten Dosierungen mit den Texten befasst, wird Nähe zu bekannten "literarischen Seelen" entdecken (u.a. Hölderlin), auch wenn der Autor sich eines eigenen Diktus bedient.

H. T. Reliwette

Arne-Wigand Baganz: "Seelengründe"
- Gedichte, BOD, 92 Seiten, Hardcover, Glanzkarton
ISBN 3-8334-1226-7, Preis: 10 Euro