Hartmut T. Reliwette
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Rezensionen


Ostfriesland
Magazin 7/2005:


Bericht S. 104+105

Fotos: Der Eingang zum Josef-Beuys-Gedächtnisgarten in Ostrhauderfehn. Mittendrin der Künstler Reliwette, Teil des Gesamtkunstwerkes und mit Markenzeichen: Hut und Weste.

Bericht S. 106

Fotos: 2200 Quadratmeter umfasst der Beuys-Garten. Ein metallenes Windobjekt gehört ebenso dazu wie eine aus Stacheldraht geformte Kugel - das Material stammt aus dem Ersten Weltkrieg.

Bericht S. 107

Fotos: 1) Bizarr - auch der Teich ist Ausstellungsfläche. 2) Diesen "Elektrischen Stuhl" fertigte der Künstler und ausgebildete Justizoberwachtmeister mit Strafgefangenen an.


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________________________________________________  K u n s t  __

Hartmut Reliwette hat nach einem Fernstudium im Fach Malerei und Gebrauchsgrafik an der FAS Amsterdam die im akademischen Kunst-Gestaltungs-Kanon festgelegten Werte weitestgehend über Bord geworfen. "Das Gegenständliche, zum Beispiel das Malen einer Landschaft, so wie sie ist, hatte mich ohnehin nie gereizt." Seine Arbeiten führen oft und gewollt zu einem gleichnishaften Formenereignis. Das Kommerzielle steht dabei nicht im Vordergrund.

In Ostrhauderfehn fand der Künstler das, was er suchte und kehrte Essen im Zorn den Rücken. Während einer von ihm initiierten künstlerischen Aktion war den Akteuren Hausverbot erteilt worden. Sein neues Domizil wurde ein älteres Fehnhaus mit riesigem Grundstück. "Den Norden habe ich bereits während meiner Jugendzeit, nach fünfmaligem Aufenthalt auf der Hallig Süderoog, lieben gelernt. Ostrhauderfehn bot sich an und nun bin ich hier." Während des Rundgangs über sein Anwesen und durch das Beuys-Labyrinth erklärt Reliwette, dass hier in den Sackgassen des Irrgartens in den vergangenen Sommern Skulpturen befreundeter Künstler standen, wie zum Beispiel von Sarah Kirsch, aber auch eigene, die den Besuchern ein besonderes Kunsterlebnis bescherten. "Schon als Kind habe ich davon geträumt, einmal so etwas wie einen Irrgarten zu gestalten. Dieser Wunsch hat mich nie losgelassen. Drei Jahre nachdem ich mich in Ostrhauderfehn niedergelassen hatte, begann ich damit, ihn anzulegen."

2200 Quadratmeter umfasst der Joseph-Beuys-Gedächtnis-Garten. Die Wege, von hohen, fein säuberlich geschnittenen Berberitzensträuchern gesäumt, haben eine Gesamtlänge von 1,2 Kilometern. Im Inneren der Anlage befindet sich das "Open-Air-Forum" mit einer 15 Quadratmeter großen flachen Bühne und 60 Zuschauerplätzen. "Beuys sagte mir einmal, dass Bühnen für Künstler wie uns nicht höher als einen halben Meter sein sollten, andernfalls würde der auftretende Akteur von vorn herein wie selbst überhöht dastehen", erklärt Reliwette.

Jeder Weg des Labyrinths ist befreundeten Kunst- und Literaturschaffenden gewidmet. So gibt es beispielsweise den "Michael-Ende-Haken", die "Rue d' Anita Piwinski", die "Rainer-Maria-Rüsch-Gasse" und die "Caco-Wende".
"Dieses Labyrinth stellt, aus der Perspektive der Kunst betrachtet, nichts wirklich Neues dar. Kombiniert man aber die verschiedenen Komponenten, wird aus ihnen ein einzigartiges Kunstwerk, nämlich eine begehbare Rauminstallation, hervorgegangen aus einer eintägigen Performance. Darin eingebettet die für künstlerische Aktivitäten jedweder Art geeignete Bühne, von der kein Künstler verbannt oder mit einem Hausverbot belegt werden wird." Am Eingang des Labyrinths liegt eine von dem Essener Bildhauer Rainer-Maria Rüsch gestaltete Betonplatte mit Fußabdrücken - als Zeugnis für die Freunde Reliwettes, die 1987 an einem Tag 2600 Berberitzen nach vorgegebenem Plan in den vorher eingeebneten Boden pflanzten.

Vor dem Labyrinth fällt eine Reihe unterschiedlich langer Ketten auf, die an einem Querseil hängen. Sie erscheinen als Synonyme für die Umkehrung der Erfahrung vieler Menschen, die Spitze des Glücks nicht erreichen zu können. Eine aus Stacheldraht geformte Kugel - das Material stammt aus dem Ersten Weltkrieg - symbolisiert die Vergänglichkeit epochaler Erscheinungen. Die Gefahr des Vergessens wird besonders im Sommer deutlich, wenn Winden die Stacheldrahtkugel überwuchern und sie fast unsichtbar machen, als sei sie nie gewesen.