Hartmut T. Reliwette
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Michael Mäde

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geb. 1962, in Karl-Marx-Stadt. Studium der Filmwissenschaften und Dramaturgie an der HFF Potsdam. Diplom 1988. Von 1988 - 1990 tätig als Dramaturg und künstl. Leiter in mittelst. Medienunternehmen. Danach kaufm. Leiter in verschiedenen Medienbetrieben. Seit einiger Zeit tätig als Autor und Dramaturg. Schreibt Lyrik und Prosa.Seit 2002 Mitglied im VS. Lebt in Bad Karlshafen und Berlin.
Lyrikband: "Bomben und Landnahme - Notate und TARGETS wider den allgegenwärtigen Krieg" Div. Veröffentlichungen in Zeitschriften, Anthologien und Büchern.

Homepage:
www.michaelmaede.de






Mein Weltbild

I

Gewiss, mein Weltbild wird einfacher
mit den Jahren,
mit jedem Detail,
mit jedem Blick
in die sogenannte Praxis
aus der offensichtlichen Theorie
der Verschwörung,
der ich anzuhängen gezeiht werde.

Gewiss, ich verschweige
den Riss nicht
in meinem bewussten Sein.
Aber ich lerne,
einfache Sachverhalte anzuerkennen,
endlich.
Denn der Balkan ist befriedet,
Belgrad ist gefallen
an die formalen Demokraten,
die Pipeline durchs afghanische Land
wird gebaut, jetzt,
denn das Öl wird knapper uns täglich.
Und Präsident Chavez ist demnächst fort,
ob im Exil oder im Himmelreich
darf er selber noch entscheiden
und die Kokabauern Kolumbiens
sind sehr bald entweder tot oder
Sklaven der neuen Zeit.
Und Präsident Lula wird dann bereits
Treuhänder sein des IWF oder abgewählt,
wahrscheinlich in der Reihenfolge.
Man sagt, es gäbe keine Wahl.

II

Und mein Weltbild wird einfacher,
mit den Jahren,
die über mich hingehen.
Denn, Allende, lerne ich,
war irgendwie auch Stalinist
und Neruda kein Dichter.
Und die Revolution ist nimmermehr
die Zärtlichkeit der Völker,
sondern ihr Verderben.
Am Hunger
im abgehängten Teil dieser Welt
sind immer die Anderen schuld.
Und die Schreiberlinge der Feuilletons
erklären den gegenwärtigen Zustand
so schön schlüssig
dass einem ganz leicht wird im Kopf.

III

Aber die dunklen Stunden,
wenn der Wind böse ums Haus faucht.

Kronstadt, Bucharin vor dem Henker,
Budapest, Prag, Afghanistan.
Grosse Sprünge ins Leere.
Der Widerstand gegen jedwede Realität,
die ins eigene Bild von der Welt
sich nicht zwingen ließ.

Die dunklen Stunden.
Das Zerren des Sturms
an den verbliebenen Haaren
und der Widerstand
in mir gegen das wohlfeile Verständnis
um den Gang der Dinge.

Die lebendigen, dunklen Stunden.

IV

Die Bilder sind es, die täglich
den Rest unseres Verstandes fluten.
Nur des Mitleids sind wir noch fähig.
Mitleiden verrottet im passiven Sprachschatz.
Mildtätigkeit bei einer Flut im eigenen Land,
Solidarität geheißen
(auch so eine feindliche Übernahme von Sprache).
Die Herrschaft
der schlaubergenden Gutmenschen,
die immer noch einen guten Tipp
parat haben für die Darbenden
auf diesem Planeten, ist nicht mehr
auf die Talkshows beschränkt.

Und ich, blaustichig geworden
vom medialen Konsum,
paralysiert
von soviel gestalteter Realität,
gedenkend
meines einfacher werdenden Bildes
vom Zustand der Welt,
erinnere mich der Vergesslichkeit.