Hartmut T. Reliwette
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Iris Schröder

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Textauswahl:

geboren 1970, lebt in Berlin, Hausfrau, schreibt aber bisweilen auch Gedichte. Einige Gedichtveröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien, z.B. Muschelhaufen, Lyrik2000 u.a.







stimmen

stimmen sind zusammengefaltet
in ihren holzkistchen.

darin klappern sie beim gehen -
geheim- in einer brusttasche.

eine knochenleitung unter putz,
du hörst dich selber

reden unterm gebiss.
stimmen nehmen ihre entfernung

auf sich, bekennen sich, im cafe
als gemurmel.

der sänger sagt, er kann
heute nicht.

schaut in seine tasse,
in den milchigen schleier. münder

spitzen sich, machen sich breit:
haha!

doch ist es schrecklich, nicht
singen zu können. dies

ist noch immer meine stimme,
doch macht sie mimikry

miot den schmutzigen scheiben,
mit den abgegriffenen rändern

der dinge.





Vollständige Antworten

Sie finden sich ein
zu einer Seance
in schwach beleuchteten Räumen -
das Halbdunkel
ist Vorraussetzung für
vollständige Antworten.

Tragen Sie eine Stoffblume
am Kleid? Haben heute sogar
die Herren manikürte Hände?
Ja, tatsächlich.
Und die Toten, was sagen sie?

Ach, immer das Gleiche,
ja oder nein.
Desinteressiert an Beweggründen,
Absichten, aussichtslosen
Geschäften, wollen sie
ihre Belange nicht erörtern.

Die alte verhasste Verweigerungs
haltung!
Die Toten sagen ja oder nein,
nippen an ihren Aschetassen.
Mit dem Blick auf
die zeigerlose Uhr,
die drängt,
das Gespräch nun zu beenden.





gespräche III.

obenauf liegend
betrachtest du mich
als neuigkeit.
interessant und zeitlich
begrenzt. mit den bizarren

wucherungen, bekannt aus
naturkundemuseen. schimmelpilze
sind so, atompilze,
unreife menschen.
mein gleichgewicht

ist prekär, zu zweit
sind wir ein mobile.
nur mein buckel hält mich bisweilen
in der vertikalen.
hätten wir uns nicht

schon früher treffen
können, neunzehnhundert
fünfundneunzig, an der tu, als
du physik studiert hast?
nein ich habe nie studiert.
mein buckel ist mir
eine wiege, eine schaukel,
ich wiege mich selbst in schlaf.
oder beim friseur, im wartezimmer
eines arztes-
vor friseuren und ärzten
habe ich angst. besuche sie
nur im notfall.

offensichtlich bin ich
einsehbar.
behelfsmässig öffne ich den mund

doch sage ich nichts.

sieh nur, in meiner halsbeuge
pocht ein ozean.
nichts neues. du hast das
schon gesehen...