Tom de Toys, 13.4.2003, 13-17 Ur, dank Laura & Fine
(sonnig ohne Lichtzwang)
ganz besonders nicht gewidmet allen Yuppie- und
Jungautoren bei Großverlagen
(100%iger Boykott von Celangweilern & Poppern im
Prenzlberger Szene-Café)
ABSOLUTE MEDI(tatION)EN
( ULTIMAtiefE POP-DEFINIZION )
Wahrer Pop passiert in einer sonnigen wüste
während theoretiker woanders
über tapetenmuster diskutieren
dreihundertsechzig grad glühender sand
das ist was anderes als ein fernsehauftritt
rundumpanoramablick nichts als horizont
unendlicher horizont so weit das auge reicht
zu allen seiten bis zum horizont nur horizont
und direkt obendrüber ozean hautnah
WELCH 1 GROßARTIGER ZUSTAND
OHNE ALLE SICHERHEITEN
das ist pop! das ist fett! das ist einzigartig!
und völlig unabhängig davon
ob es jemand bemerkt immer da
pop passiert immer dort wo keine medien sind
Echter Pop ist diese letzte meditation
in einer hochgeschwindigkeitsgesellschaft
mit ihren stars und starkstromtrivialitäten
ohne sternenhimmel ohne richtig atemraubende
ereignisse ja pop ist purer atem
atemraub und atemzwang
purer atem reiner klang
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DONNERDICHTUNG
Streitschrift-Satire für Eva Strittmatter statt Eva Erb
Tom de Toys, 18.5.2003
Die Entscheidung ergab sich gestern abend von alleine, denn ich war zu erschöpft, um die "Lyriknacht" mit Celangweiler Kuhligk & Konsorten zu besuchen. Und den Papenfuß hör ich mir sowieso lieber im Burger an. Also früh schlafen gehen und früh aufstehen: Die letzte lebende Grand Dame der deutschen Lyrik (Hilde Domin ist dagegen Hausfrauenlyrik!!!) liest auf einer Open-Air-Vernissage in Babelsberg. Ihre radikalen und selbstentblößenden poetischen Gedanken begleiten mich schon seit Jahren, denn sie versteckt sich nicht hinter beliebigen Hohlformeln und gewollten Metaphern sondern beleuchtet die seelischen Schwierigkeiten des Dichterlebens in einer Desinteresse-Gesellschaft so souverän bis subversiv wie ihr eigenes Leben.
Und obwohl ich noch in der S-Bahn sitze und die lange Fahrt nach Griebnitzsee für diese Einleitung nutze, weiß ich genau, warum ich mich an einem Sonntag in Neukölln bei sommerlichem Nieselregen morgens aus dem Bett quäle: Zu viele wirklich wichtige Kollegen habe ich bereits knapp verpaßt (Beuys starb am Vorabend meines 18. Geburtstages und Dali am Vorabend meiner Entlassung aus der psychosomatischen Klinik - von Nietzsche und Artaud ganz zu schweigen), die Zeit rast ohne Rücksicht auf Verluste weiter, und bevor ich selber von einem Auto platt gemacht werde (wie Brinkmann und Berendt), gönne ich mir lieber noch schnell einen Ausflug in den Süden. Ah, die S-Bahn hält - und der Nieselregen setzt wie auf Kommando wieder ein! Das ist also Griebnitzsee, fast dörflich und menschenleer... "LESUNG E. STRITTMATTER" steht mit Edding auf signalrosaroten Schildern ab der nächsten Straßenkreuzung, nachdem ich in der Bahnhofskneipe die grobe Richtung zur Domstraße 23 a erfuhr. Ich flaniere zwischen sanierten Villen und Rohbauten bei ahnungslosem Vogelgezwitscher unter saftigem Grün und endlich: Die Sonne bricht durch! Die wenigen vorbeifahrenden Autos müssen mich für einen Spinner halten: auf jeder zweiten Gartenmauer stütze ich mein loses Papier zum Schreiben und sobald ich weitergehe, fällt mir der nächste Satz ein. Bin ich ein Erbe Heideggers? Aber egal, genug geschwafelt. Mal sehen, wo sich die Galerie "Wort und Kunst" versteckt. Und die Sonne scheint weiter, na prima. Hach, tatsächlich: ein Garten! Und voll mit Action-Painting von Rengha Rodewill, der Schülerin eines Pollock-Weggefährten. Frisch gemalter Abstrakter Expressionismus mit Titeln wie "Big Bang" (1999) und neuere Pinselarbeiten "New Romanticism" (2003) genannt, die schon auf der Biennale in Florenz gezeigt wurden. Die Künstlerin ist anwesend und hat einen ganzen Tisch mit Kopien zahlreicher Presse-Artikel und biografischer Daten aufgebaut. Es ist halb Zwei, ich bin der erste, die meisten Bilder sind noch mit Folie gegen den Regen verhängt. Gitarre und Querflöte des märchenhaften Gaukler-Duos konnte ich schon von der Straße aus hören. Ein riesiger Halbkreis aus Bierbänken auf der Wiese. Kein Buffet, nur Knabbereien. Mist. Ich mit mir ohne Frühstück. LESUNG MIT LEEREM MAGEN. Naja, immerhin Chips und Fladenbrot. Allmählich trudeln Leute ein. Ich setze mich mittig zur Bühne, das sind ja auch im Kino die besten Plätze. Hinter mir das Hauptgebäude im Park: eine Adenauer-Residenz und ehemaliges Potsdamer Forstamt. Dieser Ort ist voller Vergangenheit. Ich warte auf die Gegenwart.
Und lese zwischenzeitlich das "Dance-Painting"-Manifest der Künstlerin. Endlich mal wieder ein Manifest! Revolution! Es wird plötzlich etwas windig, aber die dunklen Wolken ziehen noch günstig vorüber. Halb Drei und zwanzig Zuhörer sind inzwischen da, die einen elegant, die andern wetterfest. Noch ein einhalb Stunden bis die Stunde der Lyrik schlägt. Ich zerkaue die Erdnüsse und trinke Sprudel statt Bole. Unter mir die Wiese. Ob die Dichter der letzten Nacht schon wach sind? Ob sich einer von ihnen hier blicken läßt?
Richtig selbstbewußte Berufsjunglyriker und poppernde Yuppie-Autoren gehen nämlich am liebsten nur auf ihre eigenen Lesungen und streuen dann gerne Werbelügen über die Bedeutung ihrer Zusammenkunft mit Sprüchen wie z.B. "Der Underground wurde vor 5 Jahren erfunden" (eben durch die Gründung ihres Netzwerk-Klüngels). Aber ich will ja nicht gleich wieder aus purer Langeweile lästern. Also 1 Stunde Schweigen für die Poesie-Zombies und Literatur-Mafia (Zitat: Rarisch, der von der Zeitschrift "Zirkular am Zeitstrand" für den Büchnerpreis vorgeschlagen wird). Bis die letzte Dichterfürstin des 20. Jahrhunderts ihre alte, aber hellwache Stimme erhebt... (- >> << -) ...Viertel vor Vier: Hundert Einheimische (oder Touristen?) haben Platz genommen und es donnert gefährlich. Die Sonne findet keinen blauen Flecken mehr und als sich die 73-jährige E wie Eva Strittmatter auf eine Gehhilfe gestützt vor die Menge schiebt, hilft bald schon auch die Mikrofonverstärkung nicht: Nach einigen Sätzen Prosa aus dem neuen Buch ihres verstorbenen Mannes Erwin prasselt das Gewitter pünktlich auf die Sonntagsgesellschaft hernieder, die nun ruckzuck ein Dach aus Regenschirmen über sich spannt und darunter wie eine römische Legion verschwindet und tapfer weiter lauschen will. Ich flüchte mit einigen anderen schlecht ausgerüsteten unter einen -leider durchlässigen- Sonnenschirm, der eines der ausgestellten bunten Bilder schützen soll, während die Dichterin, nachdem sie mehrmals die Lesung vor lauter Regenlärm und Blitzen skeptisch (einmal sogar lachend mitten im Satz) unterbrochen hatte, um sich zu vergewissern, ob die Situation noch erträglich sei, dann doch ins Atelier der Galerie-Baracke wechselt. Dort liest sie bei nicht mehr ganz so frischer Luft weiter und es wird an vielen tragikomischen Stellen aufgelacht. Als Bühnenbild dienen nun die Farbspritzer jener Bilder, die im Garten die eigentliche Bühne absteckten und ihre Entstehung an der Atelierwand bezeugen. Wie zu erwarten war, liest Strittmatter dann ihre "geheimen Gedichte" mit knattrig-klassischer Intonation (absolut austauschbar mit Hilde Domin!!!) und trotzdem kommt keine Langeweile auf, denn die Inhalte sind nicht nur tief und ehrlich sondern in ihrer Schlichtheit keineswegs trivial. Außerdem artikuliert sie klar und deutlich mit der Schärfe ihres Geistes. Danach wird Schlange gestanden für eine Signatur, die sie bei jedem als persönliche Widmung gestaltet. Diese Frau hat ein emotional aufregendes und anstrengendes Leben hinter sich, weil sie sich schreibend von Alltagslügen befreit. Hoffentlich war diese Veranstaltung trotz Krankheit nicht ihre einzige Lesung in diesem Jahr. Legendär war sie allemale. Und auf dem Weg zurück zur S-Bahn-Station bricht die Sonne wieder durch und bleibt.
Tom de Toys, 17.5.2003,
inspiriert durch Heinrich von Kleist & Karl-Johannes Vogt
(K) E I N (N O) T A U (S G A N G)
hinter dem geschriebenen nur ungeschriebenes und
weiter hinten nur beschreibungen und
hinter jeder schrift (ganz gleich ob aufgeschrieben
übertrieben oder runtergeschrieben)
nur der stift der mich verrät
der wörter sät und welten erntet
seelenskelett Du aufblasbares puzzle
aus buchstabenozeanen aller sprachen
aller menschen aller zeiten
seelenskelett Du lichtdurchfluteter
glasknochenhaufen so viel
optimismus sollte
sein jetzt
gehen wir ins unanständige detail
weil alles andere
nach faulem zauber riecht der zauber
von verbrannten gutachten von scheingefechten
menschenleeren straßenschlachten
dieser zauber der in manchen augenblicken
über meine wetterfeste haut Dahin kriecht
ja Dahin und
ich ich
lebe noch
ich lebe
noch
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Tom de Toys, 23.5.2003, beim Brunchen im Café "Wohnzimmer";
inspiriert durch Kurt Tucholsky & Kurt Schwitters:
K.T.: "Gruß nach vorn" (1926) & K.S. "An Anna Blume" (1919);
Uraufführung 24.5. im Rahmen der 6. Langen Buchnacht Oranienstraße in der Kneipe "Zum Goldenen Hahn";
Online-Erstveröffentlichung bei: www.reliwette.de (ab 26.5.)
B(E)RÜH(RUNG)E(N)
(JEDE BAR IST EINE BIBLIOTHEK)
lieber überlebender 2085 -! durch irgendeinen zombie kamst du in diese bar, wo Max Pfeifer stöhnt, als reite ihn die grüne fee - du stutzt und liest dann die vergilbte zeitung von 2003. ich sage trotzdem ziemlich unbefangen guten tag. mein anzug ist wie immer zeitlos grau und deiner folgt dem neusten trend. dein hirn quillt mir wie eine durchgestylte brühe entgegen, aber da ist etwas anderes, das mich berührt: deine NEUTRALE GRAMMATIK ! klopf mir nicht aufs schienbein, das wirbelt nur staub unterm tresen hervor. soll ich dir erzählen, was die leute damals bewegte ? Tschernobyl ? Irak ? Thomas Kapielski ? das internet ? ein foto von der erde aus mehreren millionen kilometern entfernung ? alles aufgeblasener quatsch, das fliegt irgendwann auf ! soll ich dir schmeicheln ? aber womit ??? du hast keine fragen und ich nur drei antworten, die das problem kaum lösen: 1. Anna ist ein bordell; 2. Anna sitzt im vogelkäfig; 3. Anna glaubt an ein anderes ding als gott. das mittelmaß regiert den mittelstand, kein einziges genie reicht kanzler Schröder die hand - die fachsprache war alles... ja, unsterblich ist nur die schleimspur der poesie. ach, mein lieber, wenn du wüßtest, wie stumm mein 35-jähriger körper werden sollte... na, lassen wir das. ein hoffnungsloses gespräch am samstagnachmittag, frühstück im fortgeschrittenen zustand. papier ist letztlich härter als stahl und das universum die größte insel. einen schönen abend noch.
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Rezension
Tom de Toys alias Lord Lässi(n)g, 23.6.2003 (12:14 Uhr),
als Rezension für www.reliwette.de (Rubrik "Gastautoren")
HEYMLICH SCHILLERNDE ZWEIGE
Wer in einer Zeitschrift selbst veröffentlicht wurde, gilt zwar in seinem Urteil gemeinhin als "befangen", muß sich jedoch trotzdem darüber im Klaren sein, daß der Spruch vom "mitgehangen" ebenfalls zieht. Womit ich sagen will: als neutraler Rezensent kann ich hier nicht mehr auftreten, aber neutralisierte (sterile) Fuschzettelkommentare mit vorgekauten Argumenten (ohne Mut zu eigenen Interpretationen) gibt es in den Massenmedien sowieso immer wieder und wieder zu genüge, das ist die Tradition der möchtegernsachlichen Langweiler. Viel seltener bezieht mal einer der Beteiligten selber Stellung, um die menschliche Inbrunst hinter dem Hochglanz hervorzulocken. Deutschland hat einfach zu viele Tabus, so daß es den Dichtern (wenn sie nur wollten) genügend Lanzen zu brechen gäbe - an Arbeit mangelt es also nicht, jedenfalls für meinen Berufs-"zweig".
Und genauso wie ich mich gezwungen sah, die skandalösen Mängel des Kinofilms "Poem" nicht wegzuretuschieren (selbst im Falle daß mein neuronietzscheanisches Gedicht nicht NACH der Verfilmung gegen "schillernde" Metaphysik AUSGETAUSCHT worden wäre), erlaube ich mir hier das Gegenteil: meiner Freude (ohne Götterfunken) freien Lauf zu lassen: Herr Bock, das neue vossische Vieh ist einfach grandios, die geistige Genmanipulation ist gelungen!!! Ich fühle mich ziemlich geehrt, mit einem po:e:tischen Beitrag (das Sonderzeichen mit Doppelpunkt AUF dem "e" ist mir ein digitales Rätsel) als Schlußlicht neben dem "heymlich" jüngeren Kollegen leuchten zu dürfen.
Und da man ja im Literaturbetrieb keinem unter 30 traut (es sei denn als "poppertierendem" Yuppie), ist auch dem guten Georg seine falsche Sonettzeile zu verzeihen. Aber ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken: der Spezialist HEL ToussainT war es, der die 7.Zeile verbesserte, natürlich mit einer spontan vergebenden Verbeugung: "Ach was, die Expressionisten, DIE durften das damals, da ging es doch um was ganz anderes als solche Formfehler!" Nichtsdestotrotz verrate ich hier unerlaubterweise (jaja, ich bin ein Poetenpaparazzi), wie mein Freund "Berlin I" noch unvergessener machen kann: "Gestank und Ruß lag auf den schmutz`gen Wogen" - jetzt stimmt sogar die zweite Silbe als erste Hebung! Welch Anmaßung, sagen Sie, ein berühmtes Gedicht zu operieren? "Berühmt"? Tut mir leid, GIBT ES NICHT! Das ist nur eine hierarchische Hypnosetechnik von verstaubten Verwaltern, um andere Kollegen klein zu halten.
Gregor Koall kämpft jeden Morgen ohne Muffensausen mit einer digitalen Dosis LEBENDER Twen-Dichter (vielleicht war "sogar" schon ein Teenie darunter) NEBEN den toten Twens gegen diesen Muff. Für ihn trifft zu, was in der ersten neuen VOSS über Lessing zu lesen ist: dieser hatte laut Jakob Augstein seinen Geschmack und sonst keine Maßstäbe. Und genau SO funktioniert die ganze VOSS, wenn man die einzelnen Artikel aufmerksam liest: der Herausgeber (ein erprobter Journalist!) hat mit professioneller Intuition Beiträge vereint, die sich gegenseitig wunderbar ergänzen und überraschen. Und während das farblich angenehm unauffällig gelungene Design schön glatt gedruckt daherkommt, wie sich das für ein Magazin gehört, sind die Artikel alles andere als "glatt": wer sich beißen lassen will, findet überall genügend Biß. Bis zum Schluß.
Selbst Kennedy hätte die VOSS nicht verboten, nein, sondern ihr klammheimlich die Mittel gestrichen. Aber zum Glück ist das Vieh ein privates Vergnügen und so freue ich mich schon jetzt auf die zweite Ausgabe. Und bin gespannt, welchen LEBENDEN "kritischen" Dichter ich dann an der Seite eines unvergessen toten ohne Zombietamtam finden werde. Danke für dieses "nutzlose" Heft, es sinkt tief in die Seele statt in den Müll, wie so viele andere Kioskblättchen...
gez. Lord Lässi(n)g
P.S. Als ich am gestrigen Erscheinungsdatum zu neugierig war, um auf mein Belegexemplar zu warten, machte ich einige witzige Erfahrungen an diversen Berliner Kiosken: mittags am Bahnhof Zoo gabs noch keine VOSS (O-Ton: "Kommt erst Anfang der Woche"), auf der Schönhauser Allee hieß es: "Die führen wir gar nicht MEHR", auf der Torstraße wollte man mir die Neue Post andrehen (spreche ich so undeutlich?) und am S-Bahnhof Alexanderplatz war sie bereits AUSVERKAUFT (O-Ton: "Wir hoffen, Nachschub zu bekommen"). Aber: am Mierendorffplatz, unten in der U-Bahnstation, jaja, direkt am Gleis, DA hat er die eingeschweißten Viecher von hinten hervorgekramt und zuerst mich, und dann die VOSS ungläubig angeschaut, sie aufgepackt und drin rumgeblättert anstatt sie mir zu geben. Sein Blick wirkte wie: "Meine Güte, was steht denn da drin, daß da wirklich jemand nach fragt?" Hey, darf ich das Magazin nun endlich kaufen oder nicht? Bitte gleich zwei!!! (ich war nämlich unterwegs zu Jo, meinem Produzenten, und DEM wollte ich selbst ein "Belegexemplar" schenken)
Tom de Toys alias Lord Lässig , 27.-29.6.2003
(Akademie der Künste: "EUROPA WOHIN" mit Habermas & Handlangern /
Backfabrik: "LYRIK VON JETZT" mit Kuhligk & Konsorten /
G&GN-Institut Neukölln: "SOFA MIT ROSEN")
Die Neue Lässigkeit
HABERMASCHINE & KUHLIGKLONE
G&GN-Report / Wie lassen sich Phänomene erklären, die einen sprachlos machen, solange die Notwendigkeit von Sprache als Voraussetzung gilt, um sich so verständlich zu machen, daß eben jene Bürger sich endlich die Augen reiben und doch noch an Aufwachen denken, die in den letzten Tagen nichtsahnend und gutgläubig zu zwei Großereignissen in der Hauptstadt rannten, deren Vermarktung nicht darüber hinweg täuschen kann, daß es sich dabei um gänzlich aufgeblasene Hohlkörper handelt, deren bloße Beachtung an Nekrophilie statt Philosophie grenzt, und jedes noch so schlechte Gedicht, das ich in derselben Zeit niederschreibe, noch eher zu rechtfertigen wäre als dieser eindeutig zu lange Kettensatz, dessen unausgesprochener Kerngedanke all Deine Ketten sprengen wird, die Dich Dein bröckelndes Weltbild seit Jahren schon spüren läßt - Du bist an der Schwelle zu einem Sprung in die bodenlose Freiheit Deines Bewußtseins, dessen absolute (quantenmechanische) Verortung in keine einzige Religion paßt und doch so tief in der Existenz siedelt wie nichts, aber auch nichts anderes, das Dir je in Deinem Leben widerfahren kann: DU BIST DA und Du weißt es, ganz ohne Warum, ohne Woher und ohne Wohin. Einfach nur, DAß Du da bist genügt Dir und Du schaust Dir die beiden Spektakel an und fragst Dich: Was wollen die eigentlich damit bezwecken, wem soll es nützen außer ihnen selbst und hat der Planet nicht schon lange genug an dem Koma gelitten, das ihm die Menschheit mit all ihren Ersatzdrogen verabreichte??? Nichts gegen abstrakte Hyperreflexionen und metapoetologische Bandwürmer aus Spaß an der Freude, aber wenn 500 akademische Alphapluswesen dem orwellschen Jargon des 20. Jahrhunderts verfallen, lautet mein einziges Thema für diesen Abend: WOHIN MIT EUROPA, wenn sogar Sondermüll wieder im Supermarkt landet! Nachdem Jürgen Habermas Pazifismus als anachronistisch bezeichnet und Wolfgang Schäuble gegen Antiamerikanismus wettert, spüre ich dieses mulmige Unbehagen im brodelnden Hinterkopf: mir liegen sämtliche sublimierte Floskeln wie eine zu große Tüte Süßigkeiten im leeren Magen, die Sprache der Intellektualen erzeugt bei mir eine fundamentale Aversion gegen Wörter, die nur einen Sinn haben: den Status Quo schön zu reden, so schön, daß sowohl Laien wie Leseratten in eine Eventhypnose versetzt werden, als ob jede Realität, nur weil sie real-existent ist, im selben Atemzug auch schon legitim sei nein, dieser pseudoradikale, nämlich kommunikationslose Konstruktivismus imperialistischer Egomanie muß ein Ende finden, wenn wir ins echte 21. Jahrhundert hinüberwechseln wollen, um zu einer poetischen Vision spiritueller Weltbürgerschaft zu gelangen. Kein "Aufstand der Braven" (Zitat: Johannes Jansen, Neuer Pop von 1984) mithilfe "Neuer Zerbrechlichkeit" (Zitat: Björn Kuhligk, Neue Peinlichkeit Jahrgang 74 plusminus) oder "Ein bißchen Pathos haben meine Texte ja schon, aber etwas Pathos ist doch wieder erlaubt" (Zitat: Jahrgang 66, Neue Pathetik?) steigert das fehlende Lebensgefühl geschweige denn lindert die Schmerzen alter Wunden, Europa ist nicht mehr als ein Kontinent, auf dem wir leben und Amerika ist nur ein Flugticket entfernt, für den, der es sich leisten kann. Wer aus konkreten Bezeichnungen metaphysische Begriffe macht, jongliert nicht mit echtem Leben sondern mit seiner eigenen Schizophrenie! Was wirklich im Alltag zählt, sind reale Menschen, die sich als einfache Menschen statt Darsteller von Prestigerollen begegnen, ohne Überkopf voller Definitionen und Schablonen. Aber Du, lieber Leser, was hast Du bis hier hin verstanden, kannst Du eigentlich wissen, wovon ich hier rede oder wirkt es auf Dich einfach nur durchgeknallt? Ich sage Dir: DICHTERISCHES DELIRIUM braucht die Welt, nicht dieses schöngeistige Zeug(nis) anständiger Repräsentanten. Ich sah und ich hörte zwei Abende lang zwei Generationen, die meilenweit auseinander liegen und doch innerlich eins sind: Sie vertuschen gleichermaßen Ihre Hilflosigkeit im Applaus einer Masse, die höflich genug ist, Die Neue Vollständigkeit eines unsäglich anmaßend poppertierenden Großverlages vollständig auszusitzen (diesmal Dumont - Suhrkamp und Kiepenheuer & Witsch legen eine Verschnaufpause ein) und wie in der Kirche auf die Erlösung zu warten und froh darüber zu sein, daß zwischen dem Abendmahl und dem Glockenläuten wenigstens zwei Riesen aus einer anderen Dimension den stickigen Bühnenraum ausfüllen und aufmischen (es sind diese: stan lafleur dicht gefolgt von Kersten Flenter) und mit ihren wuchtigen Stimmen routinemäßig tabubrechend zur existenziellen Erheiterung beitragen. Danach sinken alle wieder in stille Andacht zurück, die Gebetsmühle einer der angeblich meistgeschätzten Dichter(-Moderatoren) kurbelt mit vorgetäuschter Bedeutungsschwere die nächsten austauschbaren Metaphern in die neo-celangweilten Hörgänge und hackt weiter ein auf meine Sehnsucht nach Inhalt und Intensität, die keine echte Provokation sondern nur wichtigtuerische Prävention halbstarker Mittzwanziger vernimmt. Und ich verlasse den Weihrauchkellerdunstkreis, wo die vermeintliche Dichtung sich selbst in einem isolierten abwesenden Jetzt gleichsam befeiert und heimlich laut beerdigt und denke nur: LYRIK MUß JETZT mal ungehorsam sein, sonst wird sie niemals das Volk erreichen, das sowieso ALLE Dichter für überflüssig hält, weil sie am Zustand der Welt nichts ändern, als ob irgendein anderer Beruf irgendwas änderte. Es will niemand irgendwas wirklich ändern, sie wollen nur alle ihre Schäfchen ins Trockene bringen und führen dazu dementsprechende Klüngelkriege, so einfach ist das. Mein Nachbar ist Metzger im Land der Denker, und der sagt mir glatt: "Ich lebe in Deutschland, aber die Dichtung sagt mir nichts." Und ich kann es ihm keine Spur übel nehmen und traue mich nicht, ihm mein bestes Gedicht zu zeigen. Auch ich tanze lieber in einer leeren Disco zur stundenlangen Stille von John Cage als bei Daimler Chrysler am Potsdamer Platz herum. Und ich kaufe meine Laugenbrötchen in einer türkischen Bäckerei um die Ecke, esse Tortellini Gorgonzola beim Italiener gegenüber, rupfe Grashalme mit Walt Whitman oder im Gegenteil: besser mit Allen Ginsberg, wenn der seelische Schwerpunkt auf einer Kritik am System liegen soll (statt im voreiligen Kitsch eines riskanten Nationalstolzes zu münden) und maile meinem Bruder in Australien. Die Achse der Welt resultiert für mich nicht aus "Gut & Böse" sondern aus kosmischer Rotation und meine Lieblingsfrage beim Aufwachen lautet jeden Morgen: "Sind die Außerirdischen heute nacht unbemerkt gelandet?" Aber damit etwas verständlicher wird, wovon ich eigentlich rede, bedarf es auch hier der Enttarnung solch praktischer Wörter wie "Tag & Nacht" als äußerst relativ, denn vielleicht landet ein Raumschiff ja lieber auf der sonnigen Seite des Planeten, während ich noch im Halbdunkel der sommerlichen Dämmerung davon träume, meine Traumfrau nicht nur im Traum zu treffen sondern unter dem klaren Sternenhimmel im Park, der seit Einführung der 74-Cyberstunden-Woche menschenleer bleibt. Natürlich komme ich nun wieder von Hölzchen auf Stöckchen, aber: kennen Sie einen wahren Unterschied zwischen Holz und Stock? Sehen Sie, das ist die Sprache, das sind die Wörter, unser Gebrabbel seit Jahrtausenden: nichts als Redewendungen und keine wirklich ernstgemeinte Wende in Sicht! Deshalb behaupte ich immer noch, daß ein Gedicht mindestens drei Wörter umfassen muß, um ein echtes Gedicht zu sein. Alles dadrunter ist billige Mystik und alles dadrüber meist blumige Wiederholung, um nicht auf den löchrigen Punkt zu kommen. Und so schleichen die Dichter um den heißen Brei, besonders die Gattung der Jungautoren, denn deren Zungen sind nicht gut genug durchblutet, um kochende Grundlosigkeiten schmerzfrei durchs neuronale Netzwerk zu schleusen. Aber gute Dichtung muß ätzen wie geistige Antibiotika gegen Dummheit, ja, muß sich sogar an sich selbst verbrennen, denn wenn ich mir schon die Zeit nehme, Gedichte auf Tauglichkeit für meinen Seinsgewinn zu überprüfen, dann gibt es nur 1 Methode, die funktioniert: Das Große Ät-Zen. Ansonsten bleibt nur noch die Liebe. Aber das soll mal jemand Politikern wie Johannes Rau erzählen, der sich neuerdings "Schirmherr verfolgter Kunst" schimpfen darf, nachdem er ein paar Jährchen vorher Joseph Beuys aus seinem Amt werfen konnte, weil der seine Professur nutzte, um jedem Menschen den Künstlertest zu ermöglichen. Manchmal schleicht sich da der Verdacht ein, daß Basisdemokratie in Demokratien nicht richtig erwünscht ist, sondern die Diktatur nur mit demokratischen Mitteln weitergeführt wird. Und da schließt sich der Kreis und ich falle wieder in die Sprachlosigkeit eines Sofas mit Rosenmustern zurück, während die Kaffeeklatschrunde meine Versunkenheit überhaupt nicht bemerkt, denn die Kekse schmecken einfach zu lecker...
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33.E.C. (Experimenteller Chanson), Live-Dichtung 15.8.2003 (Direkt-Uraufführung)
Improvisationsprotokoll vom 2.Open-Air Festival der Poesie c/o www.reliwette.de
(HOLZHUND-Hickhack-Vertonung gemäß der Musikreform "Das Desinteressierte Klavier")
NICHTS FÜR BELEIDIGTE BUDDHISTEN
PRAGMATISCH UND PRAKTISCH
UNSCHLAGBAR KOMPLEX
ALLMÄCHTIGE PRAXIS
SCHLAGFERTIG VERHEXT
PRAGMATISCH UND PRAKTISCH
UNSCHLAGBAR KOMPLEX
ALLMÄCHTIGE PRAXIS
SCHLAGFERTIG VERHEXT
Däniken und Dalai Lama
Auch die sind bald hin
Aber noch sind sie da
Däniken und Dalai Lama
Machen all unsere Träume wahr
Was für den einen überirdisch geheim
Ist dem andern ein außerirdischer Keim
Beide sitzen am selben Tisch
Und essen gemeinsam Taofisch
Mit großen Flügeln und großem Mund
Zwischen Tälern und Hügeln auf einem Hund
Fliegt Taofisch durch alle Lüfte
Fliegt wie ein Vogel mit neuer Hüfte
Und landet am Meditationslagerfeuer
Dort wird ihm ganz schrecklich ungeheuer
Denn Däniken und Dalai
Haben Hunger auf dieses Vieh
Ganz gleich nach welcher Theorie
Däniken und Dalai Lama
Auch die sind bald hin
Aber noch sind sie da
Däniken und Dalai Lama
Machen all unsere Träume wahr
Dänikehennnnn und Dalai Lamaaah
Auch die sind bald hinnnnnnnnnn
Aber noch sind sie daaaaaaaaaa
Dänikehennnnn und Dalai Lamaaah
Machen all unsere Träume waaahr
Dänikeheeeeennnnn und Dalaiiiii Lamaaah
Auch diiiiie sind bald hiiiiinnnnnnnnnn
Aber nooooooooooch sind sie daaaaaaaaaa
Dänikeheeeeennnnnnnnnn und Dalaiiiii Lamaaaah
Machen allllllllll unsere Träume waaaaaaaaaahrrrrrrrrrr
PRAG-MA-TISCH UND PRAK-TISCH
UN-SCHLAG-BAR KOM-PLEX
ALL-MÄCH-TI-GE PRA-XIS
SCHLAG-FER-TIG VER-HEXT
PRAG-MA-TISCH UND PRAK-TISCH
UN-SCHLAG-BAR KOM-PLEX
ALL-MÄCH-TI-GE PRA-XIS
SCHLAG-FER-TIG VER-HEXT
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Tom de Toys, 13.8.2003, für Hartmut Reliwette & Rolf Langhans
(Uraufführung am 15.8.03 im Joseph-Beuys-Gedächtnis-Labyrinth)
MAHTRICKS
(SUPERLATIEFE SUBJEKTE)
...JEBUDD JOBE DOL NE...
war das etwa alles ? war das alles ??
soll das schon das ganze
wirklich ganze leben hier gewesen
SEIN ???
ich sage nein ! ich sage nein !!
ich sage nochmal nochmal nochmal
NEIN !!!
...JEBUDD JOBE DOL NE...
das reicht mir nicht
ich will noch mehr ich will noch mehr
noch mehr viel mehr
ich will nicht sterben will nicht sterben
NIEMALS STERBEN
nein ich liebe das leben das leben
ich liebe es liebe das leben zu sehr
ich will nicht mehr
will nicht mehr will nicht will nicht
virtuell dahin vegetieren
...JEBUDD JOBE DOL NE...
als rad im getriebe nur ruß im kamin
anstatt glühende sonne
verfluchtes geldgeschiebe
und sackgassen zum fliehen
sensationen zum kotzen
es muß einmal schluß gemacht werden
mit all diesem schwachsinn
kein kleinkariertes kleckern
wir müssen jetzt klotzen
anstatt diesen oberflächlichen checkern
beim untergang zuzusehen
denn danach lohnt sich kein jammern kein flehen
kein gott wird dich hier unten jemals verstehen
...JEBUDD JOBE DOL NE...
die welt ist so kalt diese welt ist so hohl
ich brauche kein halt sondern treibe
von pol zu pol und mitte zu mitte
von mensch zu mensch
und einem moment zum nächsten moment
im echten himmel auf erden
der himmel ist überall
überall rundherum nichts als himmel nichts
als sattschwarzer leuchtender tiefer himmel
tiefer und tiefer und höher und höher
von leere durchtränkt und von sternen durchsäht
...JEBUDD JOBE DOL NE...
von ungeheuer unfaßbarer
unglaublichen fraglosigkeit
nur der planet dieser schöne planet
hat probleme mit sich hat probleme erfunden
erfunden sind alle probleme
erfunden ist jede politik
und erfunden ist sämtliche poesie ja doch
erfunden ist alles
und längst noch nicht überwunden
das paradies beginnt nirgends dahinter
dahinter ist leider derselbe winter
...JEBUDD JOBE DOL NE...
wer aufwacht kriegt gleich wieder koma verpaßt
ein paar supersüße superträume und megastreß
die metaphysik kriecht durch die poren
als gläserner sirup verdünnt sie das blut
die haut implodiert im kern keine seele
...JEBUDD JOBE DOL NE...
der körper schwebt frei aber torkelt verschreckt
jetzt darfst du die richtung aufrichtig wählen:
ob licht oder lüge ob lust oder leiden
noch weitere schichten bewußtseinsschichten
aufzurichten oder erweiterung meiden
der anfang bist du denn dich gibt es nicht
was dann kommt erzählen dir vollständig andre
und wenn keiner kommt kommt eben keiner
es waren einmal in ferner zukunft
Jesus Buddha Joseph Beuys und Rudolf Steiner
...JEBUDD JOBE DOL NE...
...JEBUDD JOBE DOL NE...
...JEBUDD JOBE DOL NE...
"LIEBEN MACHEN" - Neuerscheinung Mai 2004
von Tom de Toys - zum PDF-Flyer
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