Hartmut T. Reliwette
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Thomas Trey

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Jg. 1969,
lebt in Weener
Cartoonist, gelegentlich Kurzgeschichten.

Homepage:
www.cartoona.de









Eine kleine Geschichte

Es geschah an einem warmen Vormittag in der Stadt. Der Linienbus kämpfte sich durch das dichte Verkehrsgewühl im Zentrum. Zu dieser Zeit waren die Straßen angefüllt mit Tausenden von Menschen auf dem Weg zu ihrer Tagesbeschäftigung. Eine zähflüssige Masse an Autos und Bussen floss durch die engen Häuserschluchten. An einem der Fenster des Linienbusses saß ein Mann mittleren Alters. Er liebte den Anblick dieser schönen Stadt in der er seit vielen Jahren lebte und arbeitete. Mitten im Zentrum hielt der Bus und spie seine Fahrgäste aus.

Der Mann folgte dem Gehsteig bis an die nächste Straßenecke und verschwand in einem kleinen Ladengeschäft, das sich im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Hauses befand. Hier, in der Nähe der größten Gebäude der Stadt arbeitete er seit langem in einem kleinen Geschäft und verkaufte Zeitungen, Tabak und kleine Erfrischungen. Alles war wie immer an diesem sonnigen Vormittag, nichts deutete auf irgendetwas Ungewöhnliches hin. Leute hasteten an seinem Laden vorbei und Kinder liefen mit den im Stau steckenden Autos um die Wette.

Niemand hatte die Flugzeuge kommen hören. Ein dumpfer Knall riss den Mann jäh aus seinen Gedanken. Die Fensterscheiben seines Ladens zersplitterten und schwarze Rauchwolken zogen durch die Straße. Er konnte Tote sehen, die auf der Straße lagen und andere, die schwarz verbrannt schreiend durch die Autotrümmer wankten. Etwas das vielleicht irgendwann einmal ein Mensch gewesen war, hatte die Wucht der Detonation durch die Fensterscheibe auf seine Auslage geschleudert. Es roch nach verbranntem Fleisch!

Der Mann wusste nicht was hier geschah, er dachte an seine Familie daheim und ob er sie jemals wiedersehen würde. Er kam nicht dazu, diesen Gedanken zu ende zu denken. Eine weitere Detonation erschütterte die Straße. Er sah noch, wie sich im Bruchteil einer Sekunde die Fassade seines Ladens in Nichts aufzulösen schien. Dann hatte die gewaltige Feuerwolke ihn verschlungen und die verkohlten Überreste seines Körpers lagen unter Tonnen von Schutt begraben.

An diesem 15. April des Jahres 1986 legte sich ein stinkender, brauner Nebel des Todes über die Stadt Bengazi. In den Einsatzberichten der US Air Force hieß es: "Keine Verluste".